Je härter ich arbeite, desto mehr liebe ich
-von Lynne Twist
Das Burnout wird von der Quelle abgekoppelt. Ich denke nicht, dass es so sehr mit zu langer oder zu harter Arbeit zusammenhängt, wie wir glauben möchten oder mit Pizza und Cola anstelle von Gemüse und Wasser. All diese Dinge spielen dabei eine Rolle - ich empfehle nicht, sich zu Tode zu arbeiten oder so etwas. Aber das wahre Burnout wird von der Ursache abgekoppelt. Dort passiert es wirklich.
Wir alle kennen die Zeiten, in denen wir im höchsten Aufschwung waren: Wir arbeiteten rund um die Uhr und wir wollten rund um die Uhr arbeiten, und was wir produzierten, war so aufregend, dass wir nicht aufhören konnten. Das ist ein Beispiel dafür, dass man mit dem Ursprung auf eine Weise verbunden ist, dass der Körper mit einem mitgeht.
Gleichzeitig halte ich es für wichtig, auf die eigene Fähigkeit zu helfen zu achten. Das ist die andere Sache, für die ich mich verantwortlich fühle: meine eigene Fähigkeit zum Dienen zu nähren, und das kommt von der Quelle. Das kommt von der Meditation. Das kommt vom Sein in der Natur. Das kommt davon, dass ich in Kontakt bin mit der Liebe, die ich für meinen Mann, meine Kinder und meine Familie habe. Meine Liebe zu Gott. Meine Liebe für die geistige Welt. Meine Liebe zu den Schamanen. Wenn ich damit in Verbindung stehe, kann ich alles tun. Und dann ist das eine Quelle enormer Freude.
Wir hatten einmal eine Konferenz in Irland mit den Nobelpreisträgern. Wir sponserten Frauen, die aus Kriegsgebieten in der ganzen Welt kamen. Diese Konferenz war sehr provokativ.
Irgendwann am zweiten Tag aß ich mit Kollegen aus dem Iran zu Mittag, vier Anwältinnen, die mit Shirin Ebadi zusammenarbeiteten. Eine Gruppe von sechs Frauen kam in einem Kleinbus an. Meine Kolleginnen sahen, wie der Wagen vorfuhr, und rannten vor Freude weinend über den grünen Rasen. Sie alle waren Anwälte, die jahrelang zusammengearbeitet hatten, bevor sie verhaftet wurden. Als die Frauen aus dem Wagen ausstiegen, Frauen, die jahrelang im Gefängnis gesessen sind und gefoltert wurden, rannten alle aufeinander zu, umarmten sich und rollten sich auf dem Rasen herum, weinten und tanzten. Mir kommen die Tränen, wenn ich daran denke.
Dann hatten wir an diesem Abend ein Fest, das fröhlichste, lauteste, wildeste, wunderbarste Fest aller Frauen, die miteinander tanzten, das ich je in meinem Leben gesehen hatte; Frauen aus dem Kongo, Frauen aus Äthiopien, Frauen aus Honduras, die alle durch die Hölle gegangen waren - sie hatten Erfahrungen, durchgemacht, über die man nicht einmal sprechen kann.
Meine Behauptung aus dieser enormen Erfahrung, und ich habe viele solcher Erlebnisse gehabt, ist, dass der Schmerz und die Freude eins sind. Es hängt alles zusammen. Und oft ist die Fähigkeit zur Freude umso größer, je tiefer die Menschen sich auf den Schmerz eingelassen haben.
Das habe ich vor allem bei afrikanischen Frauen gesehen, mit ihren oft unglaublichen Belastungen. Aber wenn sie feiern - was sie jeden Tag aufs Neue tun, durch Singen, Tanzen, sich gegenseitig zu versorgen - ist die Freude einfach atemberaubend. Ich bin nach dem Völkermord in Ruanda gewesen und habe die Freude dort in diesen Menschen gefunden. Nach der Hungersnot war ich in Äthiopien. Die Fähigkeit zur menschlichen Freude ist wahrscheinlich unbegrenzt.
Ich finde sie in mir selbst. Ich stelle fest, dass meine Fähigkeit zur Freude durch meine Fähigkeit, mich der leidenden Welt zu stellen und mich mit ihr auseinanderzusetzen, verstärkt wird. Meine Fähigkeit zu Freude und Unbeschwertheit und Spaß und Befreiung wird durch meine Fähigkeit gestärkt, der Dunkelheit ins Auge zu sehen und mich auf sie einzulassen. Und meine Fähigkeit, der Dunkelheit ins Auge zu sehen, wird durch meine Fähigkeit, Freude zu feiern, gestärkt. Je härter ich arbeite, desto mehr liebe ich.
Kernfragen zur Reflexion: Was hältst du von der Vorstellung, dass die Menschen umso mehr Freude empfinden, je tiefer sie sich auf den Schmerz eingelassen haben? Kannst du eine persönliche Geschichte über eine Zeit erzählen, in der deine Fähigkeit, dich der leidenden Welt zu stellen, deine Fähigkeit zur Freude direkt erweitert hat, oder umgekehrt? Was hilft dir, dich um deine Fähigkeit zu dienen zu kümmern?
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Lynne Twist ist die Gründerin der Pachamama-Allianz. Der obige Auszug wurde aus einem Interview mit Lynne entnommen.